Rosa Mayreder verfasste eine umfangreiche Würdigung, die 1912 in der Zeitschrift "Neues Frauenleben" des Allgemeinen Österreichischen Frauenvereins erschien
Rosa Mayreder verfasste eine umfangreiche Würdigung, die 1912 in der Zeitschrift "Neues Frauenleben" des Allgemeinen Österreichischen Frauenvereins erschienKlicken um Bild zu vergrößern
Irma von Troll-Borostyáni. Ungehalten. Vermächtnis einer Freidenkerin, herausgegeben von Christa Gürtler 1994
Irma von Troll-Borostyáni. Ungehalten. Vermächtnis einer Freidenkerin, herausgegeben von Christa Gürtler 1994Klicken um Bild zu vergrößern

Nachleben

  

Unmittelbar nach Irma von Troll-Borostyánis Tod erschienen einige Nachrufe in Salzburger Tageszeitungen. Auch in der "Neuen Freien Presse" (24. Februar 1912) und anderen Wiener und Münchner Zeitungen finden sich kurze Meldungen. Die sozialdemokratische "Salzburger Wacht" würdigte sie als eine der Besten und Edelsten ihres Geschlechts und eine jener Herolde der Frauenemanzipation, deren Namen weit über die Grenzen Österreichs bekannt ist (12. Februar 1912). Der Salzburger Landeshistoriker, Lehrer und liberale Publizist Hans Widmann widmete ihr einen ausführlichen Nachruf im "Salzburger Volksblatt" (12. Februar 1912).

Rosa Mayreder schrieb in der Zeitschrift "Neues Frauenleben" 1912:

Am 10. Februar d. J. starb in Salzburg Irma von Troll-Borostyani. Nur eine flüchtige Notiz ging durch die Tagesblätter; wo sonst spaltenlange Berichte stehen, wenn die Londoner Suffragetts einen ihrer von der kontinentalen Lebensweisheit nicht gebilligten Exzesse begehen, oder wenn ein alter Hofrat eine Broschüre gegen das Frauenstudium drucken läßt, da fand sich kein Raum für ein Nachwort am Grabe einer Frau, deren Verdienste um die österreichische Frauenbewegung unvergänglich sind, einer Frau, die durch ihre zahlreichen Schriften viel dazu beigetragen hat, die Idee der Frauenbewegung zu verbreiten und zu verwirklichen. Es ist eine Ehre für Österreich, daß Irma von Troll-Borostyani zu den ersten Frauen gehörte, die durch ihre schriftstellerischen Leistungen weitere Kreise zur ernsten Beachtung der weiblichen Probleme nötigten. Leider mußte auch sie die Erfahrung machen, wie wahr das alte Wort ist: ein österreichischer Schriftsteller, ein österreichischer Märtyrer. Aber wenn auch nicht in der Öffentlichkeit nach Gebühr gekannt, war die Wirkung, die ihre Schriften ausübten, doch sehr groß. Das wissen alle jene, deren Jugend dem Kampfe gewidmet war und die ihrem unerschrockenen Mut und ihrer schlagfertigen Polemik Anfeuerung und Bekräftigung gegenüber einer Welt von Gegnern und Feinden verdankten.
Denn ihr erstes Eintreten für die Sache der Frauen – „Die Mission unseres Jahrhunderts“, eine Studie zur Frauenfrage, 1878 – fiel noch in eine Zeit, in der diese Bestrebungen ganz allgemein als eine Verirrung und jedes „Emanzipationsgelüst“ bei einer Frau als ein Symptom, der Entartung betrachtet wurden. Man muß diese Zeit selbst mitgemacht haben, um ermessen zu können, wieviel Unbeugsamkeit, Charakterstärke, Unabhängigkeitssinn dazu gehörte, für die Ideen der Frauenbewegung in der bürgerlichen Welt einzutreten. Und nicht weniger schwierig als die theoretische Arbeit war der praktische Lebenskampf für ein junges weibliches Wesen, das sich einen selbständigen Erwerb schaffen wollte.
[…]
Schon vor ihrer Verheiratung war sie durch Essays und Novelletten, die in verschiedenen Blättern erschienen, einem kleineren Kreis wohlbekannt geworden; die Schriften sozialpolitischen Inhaltes, die sie der Frauenfrage widmete, sollten ihrem Namen bald in ganz Deutschland Ansehen verleihen. Sie war die erste, die in Österreich freimütig das Problem der Prostitution zu behandeln wagte, die erste die in Österreich „Gleichstellung der Geschlechter“ forderte.
[…]
Die besondere Auszeichnung ihrer, der Frauenfrage gewidmeten Schriften, unter denen noch „Das Recht der Frau“ und „Die Prostitution vor dem Gesetz“ erwähnt seien, ist die scharfsinnige, treffsichere Argumentation und der temperamentvolle, von tiefster Überzeugung durchglühte Vortrag. Sie ist, wie sie auch in ihrem persönlichen Auftreten war, in jeder Zeile geradsinnig, radikal, jedem schwächlichen Kompromiß abhold, voll warmer Empfindung für die Entrechteten, tapfer und freimütig.
[…]
Mit ihr ist eine der hervorragendsten Vorkämpferinnen aus der alten Schule der Frauenbewegung dahingegangen. Aber in der Geschichte dieser Bewegung besitzt sie ein bleibendes Denkmal und wirkt fort durch ihre Werke.

1914 gelang es Wilhelmine von Troll eine Auswahl von Texten ihrer Schwester unter dem Titel "Ausgewählte kleinere Schriften" herauszugeben, zu der Hans Widmann eine erste ausführlichere Biografie Irma von Troll-Borostyánis verfasste. Diese stützt sich vor allem auf Informationen und Materialien der Schwester, darunter Briefe und Tagebuchnotizen, die nicht mehr vorhanden sind. Wilhelmine von Troll ordnete auch den handschriftlichen und gedruckten Teilnachlass Irmas und übergab ihn dem Salzburger Museum Carolino Augusteum, dem heutigen Salzburg Museum.

Nach 1914 geriet Irma von Troll-Borostyáni, wie auch andere Protagonistinnen der „ersten“ Frauenbewegung des 19. Jahrhunderts, mehr oder weniger in Vergessenheit. Erst seit den 1970er Jahren und verstärkt in den 1980er Jahren wurde Troll-Borostyáni im Kontext der „neuen“ Frauenbewegung wiederentdeckt, als sich Wissenschaftlerinnen mit Frauengeschichte, Frauenliteratur und der Geschichte der Frauenbewegung beschäftigten. 1994 erschien das Buch "Ungehalten. Vermächtnis einer Freidenkerin", in dem Christa Gürtler eine Auswahl der Texte Troll-Borostyánis zusammenstellt und in ihr Leben und Werk einführt.

Seit 1995 wird der Troll-Borostyáni-Preis am Internationalen Frauentag, dem 8. März, von den Frauenbüros der Stadt und der Stabsstelle für Chancengleichheit, Anti-Diskriminierung und Frauenförderung des Landes Salzburg regelmäßig an Frauen, Frauenprojekte oder Einrichtungen für emanzipatorische Frauenpolitik verliehen.

Mit Irma von Troll-Borostyáni setzte sich auch die Foto- und Videokünstlerin Irene Andessner auseinander. 2009 schuf sie ein Rollenporträt Troll-Borostyánis im Rahmen einer Fotoporträt-Ausstellung in der Stadt Salzburg.

2012 gibt das Salzburg Museum im 100. Todesjahr von Irma von Troll-Borostyáni unter dem Motto "Ungehalten" erstmals in einer Ausstellung Einblicke in ihr Leben und Werk. Mit der Benennung der Irma-v.-Troll-Straße in der Kendlersiedlung (1996) und einer Frauenspuren-Gedenktafel an ihrem Geburtshaus in der Griesgasse 4 erinnert die Stadt Salzburg im öffentlichen Raum an die engagierte Salzburger Schriftstellerin und Frauenrechtlerin.

  

>>> zur Hauptseite: Ungehalten – Irma von Troll-Borostyani (1847–1912).  

  

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