Hinwendung zur Zukunftsforschung
In den 1960er-Jahren wandte sich Robert Jungk der Zukunftsforschung zu. Er war der Überzeugung, dass es nicht nur wichtig sei, sich zu wehren gegen das, was einen stört, beunruhigt oder Angst macht, sondern auch zu sagen, wie wir die Zukunft wollen. Dem "Nein" müsse auch ein "Ja" folgen. Zudem sollten alle Menschen an der Gestaltung ihrer Zukunft mitwirken können.
1964 errichtete Jungk ein erstes "Institut für Zukunftsfragen" in Wien. 1967 folgte die Gründung von "Mankind 2000", einer Organisation, die eine erste "Weltkonferenz für Zukunftsforschung" in Oslo einberief und die Buchreihe "Modelle für eine neue Welt" herausgab.
1968 wurde Jungk zu Gastvorlesungen über Zukunftsforschung an die Technische Universität Berlin berufen. Im Rahmen dieser Vorlesungen entstand die Methode "Zukunftswerkstatt", in der Menschen gemeinsam – und nicht im „Frontalunterricht“ – Zukunftsideen entwickeln sollten.
Die 1970er-Jahre gelten als Zeit der Alternativbewegung. Robert Jungk setzte große Hoffnungen in diese Neuansätze des Wirtschaftens, Wohnens oder Lernens. Beschrieben hat er sie in "Der Jahrtausendmensch" und dabei den Begriff der „Sozialen Erfindungen“ geprägt.
Kreative Zukunftsforschung
Robert Jungk gilt als Mitbegründer einer kritischen und kreativen Zukunftsforschung. Doch die Bezeichnung "Zukunftsforschung" war für ihn irreführend, denn dieser Begriff erwecke den Anschein, als handle es sich dabei um eine geplante wissenschaftliche Tätigkeit; vielmehr sollten aber, so meinte er, in die Entwürfe humaner Zukunftsbilder intuitive und emotionale Aspekte miteinbezogen werden – und auch „Verrücktes“:
Wer die Zeitumstände verrücken will, wird als Verrückter hingestellt, ganz richtig! Er ist geistig schon dort hingerückt, wo die Geschichte erst morgen eintrifft.
Aus: Trotzdem. Mein Leben für die Zukunft, 1993
Zukunftsforschung behauptet nicht: Ihr werdet es erleben! So wird es sein! Sie will nur sagen, so könnte es sein. Und Ihr, die Menschen, denen wir diese Möglichkeiten vorstellen, Ihr könnt noch eingreifen.
Aus: Zukunft zwischen Angst und Hoffnung, 1990
Zukunftswerkstätten
Nicht nur Experten und Expertinnen, sondern möglichst alle Menschen sollen sich in die Gestaltung der Zukunft einbringen können, so die Überzeugung Jungks. Große Erwartungen setzte er in die Alternativbewegungen der 1960er- und 1970er-Jahre, in denen Stadtteilinitiativen, Bürger- und Selbsthilfegruppen, neue Schulformen, andere Medien usw. entwickelt wurden. Jungk prägte für diese Selbst- und Mitmachgesellschaft den Begriff "Jahrtausendmensch":
Aus Wunsch und Vision allein entsteht noch keine Wirklichkeit. Sie wird politisch erkämpft werden müssen durch erneuerte, lebendigere demokratische Initiativen und Institutionen, in denen die Menschen der Jahrtausendwende endlich ihre wachsenden Möglichkeiten erproben und entwickeln können.
Aus: Der Jahrtausendmensch, 1973
Die große Hoffnung liegt in der Wandlung des Menschen. Die Notwendigkeit des Überlebens erzwingt diese Transformation. Der Jahrtausendmensch wird leben, wenn er seine Chance erkennt und sie ergreift.
Aus: Der Jahrtausendmensch, 1973
Die Zukunft könne – das war für Jungk entscheidend – sinnvoll nur demokratisch unter Beteiligung der Betroffenen gestaltet werden. Hierfür wurde eine eigene Methode entwickelt, die "Zukunftswerkstatt", die auch heute noch in vielen Ländern angewandt wird. Das Ziel: Menschen entwickeln gemeinsam Vorstellungen über die Zukunft – etwa die Gestaltung ihres Stadtteils oder sinnvoller Arbeitsplätze – und werden dabei von ModeratorInnen unterstützt.
Wesentlich ist das Vorgehen in drei Schritten: Benennen, was uns stört (Kritikphase) – Entwickeln von Zukunftsideen (Utopiephase) – Erarbeiten von konkreten Umsetzungsprojekten (Realisierungsphase). Im besten Fall soll aus einem ersten Zusammenkommen eine permanente Werkstattgruppe entstehen.
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