Aufstand gegen das Unerträgliche
Die erste Ölkrise in den 1970er-Jahren führte dazu, dass immer mehr Länder auf Atomenergie setzten. Zugleich wurden erste Havarien in Atomkraftwerken bekannt, etwa in Greifswald (1975) oder Three MiIe Island (1979).
Insbesondere in der Bundesrepublik Deutschland regte sich Widerstand. Die Bürgerinitiative gegen das AKW Wyhl (1975) gilt als Beginn der deutschen Anti-Atomkraft-Bewegung. Robert Jungk wurde einer der zentralen Fürsprecher. 1977 erschien sein Buch "Der Atomstaat", das in kurzer Zeit große Verbreitung fand.
Die geplante Stationierung neuer US-Atomraketen in Europa zu Beginn der 1980er-Jahre führte auch zu einer neuen Friedensbewegung. Hunderttausende gingen auf die Straße – aus Furcht, Europa könnte zu einem atomaren Kriegsschauplatz werden. Mit Aktionen des gewaltfreien Widerstands wurde versucht, die Stationierung der Atomraketen zu verhindern. Robert Jungk wurde zu einem der zentralen Sprecher auch dieser Protestbewegung, die er eindrucksvoll in "Menschenbeben. Der Aufstand gegen das Unerträgliche" (1983) beschrieb.
Widerstand gegen Atomkraft
"Atoms for Peace" – unter diesem Titel fand 1955 eine Konferenz der Vereinten Nationen in Genf statt. Einberufen wurde sie auf Betreiben der USA, die vom Negativimage der Atomtechnologie aufgrund der sich ausbreitenden Furcht vor dem atomaren Wettrüsten ablenken wollten.
"Dein Freund, das Atom" lautete die populärwissenschaftliche Antwort auf die Atomskepsis. Walt Disney war von der US-Regierung beauftragt worden, einen Fernsehfilm zu produzieren, der die Harmlosigkeit der Atomtechnologie zum Ausdruck bringen sollte.
Die Atomenergienutzung sollte – so die Hoffnung der 1950er-Jahre – alle Energieprobleme der Zukunft lösen. Das Atommodell, das 1958 in Brüssel anlässlich der Weltausstellung als 110 Meter hohes Bauwerk – das Atomium – nachgestellt wurde, avancierte zum Symbol einer neuen Ära. Wie groß die Hoffnungen waren, die in dieser Zeit in die Atomtechnologie gesetzt wurden, zeigt etwa der Entwurf einer Lokomotive, die – mit einem kleinen Atomreaktor versehen – ihre eigene Energie produzieren sollte.
Angst vor einem Atomkrieg
In seinem Buch "Atomstaat" hat Robert Jungk darauf hingewiesen, dass sich zivile und militärische Nutzung der Atomenergie nicht wirklich trennen lassen. In den 1980er-Jahren stieg daher auch wieder der Protest gegen die nukleare Hochrüstung an. Das internationale Polit-Klima wurde rauer. Die Zeit der Entspannungspolitik zwischen Ost und West schien zu Ende zu sein. Der neue US-Präsident Ronald Reagan setzte auf Konfrontation. Das Starwars-Programm SDI wurde geboren. Mit dem NATO-Doppelbeschluss – einem Angebot von Abrüstungsverhandlungen bei gleichzeitiger Stationierung neuer atomarer Mittelstreckenraketen – wuchs die Furcht vor einem Atomkriegsschauplatz Europa.
Jungk wurde auch zu einem zentralen Fürsprecher der neuen Friedensbewegung für eine Welt ohne Atomwaffen. Er beteiligte sich selbst an Aktionen des gewaltfreien Widerstands sowie gemeinsam mit vielen anderen Prominenten aus Kultur und Wissenschaft an den Großdemonstrationen für die weltweite Abschaffung der Atomwaffen. Dabei wurde auch der allmählich entstehende zivilgesellschaftliche Protest in den kommunistischen Ländern Osteuropas unterstützt und ermutigt.
In seinem Buch "Menschenbeben" beschreibt Jungk diese – wie er sie nannte – "Überlebensbewegung":
Die Angst, der Zorn und die Hoffnung der Bedrohten schaffen unaufhörlich Unruhe. Das ist ein andauerndes und weit umfassenderes Phänomen als die bisherigen Revolutionen. Ich nenne es das „Menschenbeben“.
Aus: Menschenbeben, 1983
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