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Kriegsgefangene und Kriegsverbrechen
Gefangen
Es ist ein Mythos, dass Österreich-Ungarn Kriegsgefangene besser behandelte als z. B. Russland k.u.k.-Soldaten. Ab Herbst 1914 entstand auf dem Gebiet von Grödig, Niederalm und St. Leonhard ein riesiger Lagerkomplex für 40.000 Kriegsgefangene und Flüchtlinge. Russische, serbische und italienische Kriegsgefangene (ausgenommen Offiziere) wurden Arbeitskommandos zugeteilt und in Stadt und Land eingesetzt. Die zuständigen Behörden waren mit der Anzahl sowie der Verweildauer der Internierten völlig überfordert. Unterernährung, Seuchen und schlechte hygienische Verhältnisse führten zu tausenden Todesfällen.
Evakuierte
Zehntausende Männer, Frauen und Kinder in Grenzregionen der Monarchie flüchteten, andere wurden zwangsevakuiert, weil die k.u.k.-Armee mangelnden Patriotismus und Kollaboration mit dem Kriegsgegner befürchtete. Ein Teil dieser Flüchtlinge – unter ihnen viele Juden – lebte im Lagerkomplex Grödig, aber auch in privaten Unterkünften in Stadt und Land.
Kriegsverbrechen
Über die Kriegsverbrechen der k.u.k.-Armee an der Zivilbevölkerung im Frontbereich ist wenig bekannt. Bereits im August 1914 wurden in der serbischen Stadt Sabac 121 Männer, Frauen und Kinder hinter der Dorfkirche erschossen. Tausende Unschuldige, meist Angehörige ethnischer oder religiöser Minderheiten in der Habsburgermonarchie, wurden an der Ost- und Südostfront kollektiv als Spione verdächtigt und verfolgt. Beweise für Spionage oder Verrat und ein nachvollziehbares Urteil fehlten in den meisten Fällen.
Mangel an Henkern
Die k.u.k.-Heeresverwaltung musste zusätzliche Henker in eigenen Hinrichtungskursen ausbilden, weil die Zahl der Exekutionen im Frontgebiet nur schwer zu bewältigen war. Schätzungen gehen von bis zu 36.000 Hinrichtungen in den ersten Kriegsmonaten aus. Viele Exekutierte wurden öffentlich zur Schau gestellt und verhöhnt. Denunziationen häuften sich, für die Überführung von „Spionen“ gab es Belohnungen in Form von Geld.
„Rassenlehre“
Kriegsgefangene und Flüchtlinge als Studienobjekte
Die Anthropologie (Wissenschaft vom Menschen) erlebte im Ersten Weltkrieg einen Aufschwung, denn sie konnte bei ihren Forschungen auf tausende Kriegsgefangene in österreichischen Lagern zurückgreifen und benötigte dafür keine Einwilligung der Betroffenen. Auch in Grödig führten die Anthropologen Rudolf Pöch (1870–1921) und Josef Wenninger (1886–1959) in den Jahren 1916 bis 1918 Vermessungen an Kriegsgefangenen durch und fertigten Gipsabgüsse von deren Köpfen an. Sie wollten Merkmale der unterschiedlichen „rassischen Typen“ herausfinden.
„Vererbungswissenschaft“
Hella Schürer von Waldheim (1893–1976), Studentin und später Ehefrau von Pöch, konzentrierte sich auf „vererbungswissenschaftliche Untersuchungen“, die sie an wolhynischen Flüchtlingsfrauen und -kindern im Lagerkomplex Grödig durchführte.
Der Völkermord
Während des Ersten Weltkriegs kam es im Osmanischen Reich (der heutigen Türkei) zum Völkermord an der armenischen Minderheit. Diesem ging die Idee eines rein türkischen Staates voraus, die christlichen Armenier galten als störende Elemente. Schätzungen gehen von mindestens 300.000 bis zu 1,5 Millionen Opfern zwischen 1915 und 1917 aus.
Bewusst zugelassen
Die Deportationen und Massenmorde an Männern, Frauen und Kindern sind durch verschiedene Quellen belegt – unter anderem informierten Angehörige von Hilfsorganisationen die Behörden im deutschen Kaiserreich und in Österreich-Ungarn. Doch beide Staaten unternahmen nichts gegen ihren Verbündeten im Krieg. Von offiziellen türkischen Stellen wird der Völkermord zum Teil bis heute geleugnet. Türkische Historiker und Intellektuelle, die das Thema Völkermord aufgreifen, werden vor Gericht gebracht.
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