Gottfried Salzmann – Atmosphären
Ausgehend von Salzburg und Paris – seiner Wahlheimat seit 1965 – war Gottfried Salzmann schon in jungen Jahren erfolgreich. Die neuen Wege, die er im Aquarell aufzeigte, wurden begeistert aufgenommen und lösten geradezu einen Boom aus. Obwohl Salzmann diesem Metier bis heute treu geblieben ist, war es von Anfang an sein Bestreben, sich nicht als Spezialist festnageln zu lassen und seine Arbeit auf eine immer breitere Basis zu stellen. Dadurch hat seine Schaffensdynamik auch nach 45 Jahren nicht nachgelassen.
Heute hat sich der Künstler mehr denn je vom kleinformatigen Aquarell emanzipiert und setzt in unterschiedlichen Kombinationen und Formaten Malerei, Fotografie, Druckgrafik und Collage ein, die sich oft ununterscheidbar durchdringen. Der Untertitel "Atmosphären" spielt auf die Umsetzung feinster visueller Nuancen an, die trotz der technischen Vielstimmigkeit ein verbindliches Kriterium für Salzmanns Schaffen bleibt. Viele seiner Bilder suggerieren einen Schwebezustand, was auch für seinen jüngsten Werkkomplex gilt, der sich mit den Innenräumen von Kathedralen auseinander setzt.
Salzburg Museum | Neue Residenz | Kunsthalle
20. Juli bis 6. Oktober 2013
Biografie
26. Februar 1943
Geburt in Saalfelden (Land Salzburg)
1963–65
Akademie der bildenden Künste Wien
1965–68
École Nationale Supérieure des Beaux-Arts Paris
1968/69
Bereits die ersten Ausstellungen in Linz, Paris und Salzburg bringen den künstlerischen Durchbruch. Er übersiedelt mit seiner Frau, der Malerin Nicole Bottet, nach St. Palais bei Bourges
1971
Wieder in Paris ansässig
1982
Ausstellung in der Albertina Wien (Prunkräume)
1983
Erste Reise nach New York, in den Folgejahren ausgedehnte Reiseaktivitäten
seit 2000
Zweiter Wohnsitz in Vence (Südfrankreich)
2003
Ausstellung im Salzburg Museum
seit 2004
Seine internationale Ausstellungstätigkeit erhält einen Schwerpunkt in den USA durch die Franklin Bowles Galleries (New York und San Francisco)
2006
Eröffnung des Gottfried-Salzmann-Saals im Salzburg Museum Neue Residenz
Buch
Zur Ausstellung ist im Prestel-Verlag unter dem Titel „Gottfried Salzmann. Cityscapes – Stadtlandschaften – Paysages urbains“ ein umfassender Katalog (232 S.) mit einem Vorwort von Direktor Martin Hochleitner und einem Beitrag des Ausstellungskurators Nikolaus Schaffer erschienen. Rund 380 brillante Abbildungen zeigen Salzmanns Sicht auf „Mega-Cities“ von Paris bis New York. Ab 18. Juli im Shop des Salzburg Museum zum Preis von € 51,40 erhältlich.
Landschaften
Salzmann begründete einen Aquarellstil, der abstrakte Strukturen und Farbflächen in ein raffiniertes Spannungsverhältnis zu Stadt- und Landschaftsmotiven setzt. Er variiert dabei den Farbauftrag von zarten Schleiern bis zu intensiver Verdichtung und oszillierenden Wirkungen. Das differenzierte Zusammenspiel von Flecken, Wasserschlieren, Spritzern etc. scheint zufällig entstanden zu sein, einzelne axiale Ordnungselemente sorgen unaufdringlich, aber doch entschieden für einen strukturellen Zusammenhalt. Das Weiß des Blattes bildet oft eine eigenständige gespinstartige Bildebene.
Salzmann malte in seinen Anfängen hauptsächlich nordfranzösische Landschaften in üppigen Grüntönen, von Wiesen und Bäumen eingesponnene Häusergruppen, aber auch im Industrierevier an der Grenze zu Belgien. Die Industrieausdünstungen dienten ihm ebenso wie Regen, Nebel, Dunst und Wolkenballungen zu einer atmosphärischen Verzauberung, auch das Interesse für spiegelnde Oberflächen nahm hier seinen Ausgang.
Städtebilder
Als folgenschwerer Einschnitt im Schaffen von Gottfried Salzmann erwies sich sein erster Besuch in New York. 1983 hatte er dort eine Ausstellung; er verließ die Stadt völlig zerknirscht, da er sich den Eindrücken künstlerisch nicht gewachsen fühlte. Die Desperation hat sich aber schon bald in eine Passion verwandelt. Salzmann wird nicht müde, New York wieder und wieder zu konterfeien. Er hat sich seither von der Naturlandschaft abgewandt und ganz den Wolkenkratzer-Metropolen verschrieben.
Hand in Hand mit dieser Thematik verlagerte sich die vorherrschende Richtungstendenz von der Horizontalen in die Vertikale. Dabei stößt die Vorliebe für den senkrechten Blick von oben in immer schwindelerregendere Höhen vor. Es gibt aber auch eine extreme Bodennähe, wie sie beispielsweise in den Treppenbildern zum Ausdruck kommt.
Im Gegensatz zu den glatten, spiegelnden Oberflächen und Rasterbauten der Mega-Cities faszinieren Salzmann in den historischen Städten Europas, allen voran Paris, als Motiv besonders die unregelmäßig gegliederten Dachlandschaften.
Kohlezeichnungen
Eine Sonderstellung im Schaffen Salzmanns kommt den Kohlezeichnungen zu, die der Künstler ursprünglich neben den Landschaftsaquarellen zu seiner zweiten Domäne entwickelte. In der derzeitigen Werkkonstellation spielen sie allerdings keine Rolle mehr.
Das Gegeneinander von diffuser Dunkelheit, ausgesparten Partien und formenstrengen Lineamenten erzeugt eine besonders dichte atmosphärische Spannung. Die Schraffuren sind teilweise mit gestischer Vehemenz gesetzt, teilweise gewischt; gezielt leer gelassene Flächenstücke werden mit spröden Einzellinien und dämmerigen Zonen akzentuiert. Es sind Begegnungen des Abgezirkelten und des Ungestalten in Form von sensiblen Licht-Schatten-Spielen, die in der Tradition des französischen Postimpressionismus stehen.
Collagen
Mitte der 1960er-Jahre beschäftigte sich Salzmann vorübergehend mit der Technik der Collage bzw. Decollage. Die oft zentimeterdick beklebten Pariser Plakatwände waren ein Phänomen, das er in dieser Form von Österreich her nicht kannte. Eine zusammenhängende Darstellung konnte sich in eine zerklüftete abstrakte Landschaft verwandeln; die abgerissenen Partien haben dabei eine ähnliche Funktion wie die weiß belassenen Stellen im Aquarell.
In einer Arbeit von 1976 finden wir bereits eine unkonventionelle Kombination von Techniken, wie sie dreißig Jahre später für Salzmanns Schaffen bestimmend werden sollte: Hinter bzw. über einer Plakatwand taucht eines seiner typischen feingliederigen Dächer-Aquarelle auf.
Mittlerweile ist die Reklamewelt aggressiver und knallbunter geworden, das dörfliche Ambiente ist einer unübersehbaren Skyline gewichen. Dank der ein großzügiges Arbeiten erlaubenden Techniken der Collage und Fotografie hat sich Salzmann endgültig das große Bildformat erobert.
Mixed media
Salzmann ist kein Künstler für Puristen, die kombinatorische Verwendung verschiedener Techniken und Materialien ist bei ihm der Normalfall. Gingen schon früher Druckgrafik, Schwarzweißfotografien und Aquarell eigenwillige Verbindungen ein, so kombinieren die jüngsten Arbeiten vorzugsweise Farbfotos mit Collagen.
Mit Vorliebe kontrastiert Salzmann das Ruinöse mit dem Hypermodernen, setzt Plakat- und Graffitiwände, Abrissszenarien und verwahrloste Altbauten gegen aufschießende Glaspaläste und bringt damit den Aspekt der Vergänglichkeit in seine urbane Bildwelt ein. Als feinsinniger Ästhet nützt Salzmann diesen Kontext sogar für kritische Kommentare zur Konsumwelt und zum Überwachungsstaat unter.
Die auf Streifzügen durch den Großstadtdschungel entstandenen Fotos werden zerschnitten und durch Montage in einen neuen visuellen Kontext gerückt sowie mit Pinsel und Stiften überarbeitet. Licht und Schatten, Reflexe und Spiegelungen sind weitere Kunstmittel, um eine oft geheimnisvolle Eindrücklichkeit zu bewirken.
Kathedralen
Als Salzmann in Paris studierte, hatte er es sich eine Zeit lang zur Gewohnheit gemacht, jedes Wochenende eine der klassischen gotischen Kathedralen aufzusuchen. Ihre in die Höhe strebende architektonische Eleganz faszinierte ihn, doch erst jetzt fühlt er sich diesem Thema gewachsen. Amiens, Chartres, Reims, Bourges, Senlis, Rouen, Clermont-Ferrand hat er inzwischen aquarellistisch erobert, auch der Wiener Stephansdom und die Franziskanerkirche in Salzburg gehören in sein Repertoire.
Der Vertikalismus der Gotik trifft sich hier mit dem seinerzeit von den Wolkenkratzern geweckten Höhendrang. Salzmann fühlt sich in luftigen Gewölbesphären wie unter freiem Himmel, fängt waghalsige Perspektiven ein und vermittelt grenzenlose Raumerlebnisse.
Die Kathedralen sind ein Kontrapunkt zu den pulsierenden Straßenbildern, der das Auge allerdings ebenso wenig zur Ruhe kommen lässt. Salzmann zeigt sie als verlassene, durchlichtete Monumente, die jeglichen sakralen Beigeschmack abgelegt haben.