Mehr zu Joseph Messner
Kindheit und Jugend
Als Joseph Messner 1893 in Schwaz in Tirol zur Welt kam, befand sich die einst durch Silber- und Kupferabbau so reiche Bergbaustadt bereits im Niedergang. Der Vater Jakob Gregor verdiente sich seinen Lohn als Bergmann, die Mutter arbeitete in der nahe gelegenen Tabakfabrik. Trotz ärmlicher Verhältnisse wuchs Joseph Messner mit seinen Brüdern in behüteten Verhältnissen auf.
Sein früh erkanntes musikalisches Talent wurde durch den Stadtpfarrer Josef Koller mit Violin-, Klavier-, Gesangs- und Orgelunterricht gefördert. Dank der Initiative Kollers gelangte Messner 1905 an das Kapellhaus nach Salzburg, wo dem jungen Altisten eine weitere musikalische Ausbildung eröffnet wurde.
Die folgende Schulzeit am fürsterzbischöflichen Privatgymnasium Borromäum wurde von stetem Interesse für die Musik sowie Natur begleitet. Der Stimmbruch brachte das Ende der Kapellknabenzeit. Um die Schule fortsetzen zu können, verdiente sich Messner das Schulgeld mit Chorleitung und Orgelspiel. Nach der Reifeprüfung im Jahre 1913 entschied er sich für das Studium der Theologie und die Laufbahn des Priesters.
Studium – Priester
Als Joseph Messner 1913 sein Studium der Theologie in Salzburg begann, stellte er erneut seine Leidenschaft für Musik in den Dienst der Kirche. Sein Interessensspektrum umfasste jedoch auch Kunst und Sprachen, wie zum Beispiel Arabisch.
Am 7. Oktober 1916 wurde Joseph Messner im Salzburger Dom zum Priester geweiht. Er schloss sein Studium noch während des Ersten Weltkriegs in Innsbruck ab und wurde im Herbst 1917 als Kooperator in (Bad) Häring im Bezirk Kufstein eingesetzt.
Die geografische Nähe zu Schwaz und damit zur Mutter brachte auch einen engeren Kontakt zu seinem Bruder Johannes mit sich. In regelmäßigen Briefwechseln sandte dieser Gedichte zur Vertonung an Messner. So entstanden drei Liederzyklen, die von der Rezension als Nachfolge der Lieder Johannes Brahms’ und Hugo Wolfs angesehen wurden und bald unter dem Titel Sehnsucht und Erfüllung gedruckt erschienen.
Das Orgelspiel nahm in dieser Zeit einen immer wichtigeren Schwerpunkt ein. Er schrieb zahlreiche Beiträge für kirchenmusikalische Fachzeitschriften sowie 30 Orgelsätze für das neue Gesangbuch der Erzdiözese Salzburg (1918).
Messners frühe Konzertreisen
Die Zeit als zweiter Domorganist in Salzburg war von Konzertreisen geprägt, die Joseph Messner durch Holland, Deutschland und Dänemark führten. Die Konzertprogramme zeigen, dass er Werke historischer und zeitgenössischer Komponisten, aber auch seine eigenen Kompositionen und Improvisationen aufführte.
Ob bei Einweihungen von Kirchenorgeln oder bei Konzerten anlässlich berühmter Musiker-Jubiläen, wie beispielsweise das Brucknerfest zum 100. Geburtstag des Komponisten – Messner war ein gern gehörter und gefeierter Virtuose. Die Presse pries ihn als Entdeckung, Offenbarung und neu aufgegangenen Stern am Musikerhimmel.
Messe in D (op. 4)
Noch in den Revolutionstagen des Novembers 1918 entstand in München die Messe in D (op. 4), die Revolutionsmesse. Messner rechnete in diesem Werk mit dem Cäcilianismus ab, der seit der Mitte des 19. Jahrhunderts die katholischen Gottesdienste bestimmte.
Im Namen der hl. Cäcilia, der Patronin der Kirchenmusik, sollten alle weltlichen Elemente der Musik aus den Kirchen verbannt werden. Opernhafte Anklänge, der Einsatz von Orchesterinstrumenten und Frauenstimmen waren verboten. Der Salzburger Fürsterzbischof Dr. Katschthaler meinte als überzeugter Vertreter des Cäcilianismus: Weibsbilder, junge und alte, haben auf dem Domchor überhaupt nichts zu suchen. Sängerknaben sollten die Sopran- und Altpartien singen. Als Begleitinstrument zur Messe war allein die Orgel zugelassen. Die Cäcilianer förderten den Gregorianischen Choral und den Volksgesang. Ihre Vorbilder waren die A-cappella-Werke Palestrinas und Orlando di Lassos.
Messner aber schrieb seine erste Messe in D für einen vierstimmigen gemischten Chor, Sopran- und Tenorsolo, Bläserseptett, Orgel und Pauken und baute sie auf Charaktermotiven auf. Seit ihrer Uraufführung am 29. Juni 1921 im Salzburger Dom erregte die Messe großes Aufsehen.
Organist
Das Orgelspiel begleitete Messner ein Leben lang. Seine Fähigkeiten im liturgischen Spiel, seine Kenntnis der Orgelliteratur und seine Improvisationskunst wurden schon in jungen Jahren nicht nur von seinen Lehrern gerühmt. 1918 erhielt er die Berufung zum Hoforganisten am königlich-sächsischen Hof. Die Revolution am Ende des Ersten Weltkriegs vereitelte jedoch alle Reiseabsichten, und so begann Messner das Studium an der Akademie der Tonkunst in München.
Joseph Messner wollte Künstler werden. Die Berufung zum Kompositionslehrer in Berlin verhinderte der Erzbischof durch eine Anstellung als zweiter Domorganist in Salzburg. Messner erhielt jedoch die Zusage, in der dienstfreien Zeit auf Konzertreisen fahren zu können.
In Salzburg organisierte er Orgelmatineen und Vorträge, um den Stellenwert der Salzburger Domorgel hervorzuheben und ihre Klangvielfalt zu präsentieren. Schon nach ihrer Erneuerung im Jahre 1914 durch Matthäus Mauracher d. J. hatte dieses Instrument großen Eindruck auf den Musiker gemacht.
Messner, selbst Orgelsachverständiger, war stets um Verbesserungen an den Salzburger Orgeln bemüht. In Zusammenarbeit mit der Firma Cäcilia entwarf er die Dispositionen zahlreicher neuer Orgeln in Kirchen und Konzertsälen, darunter auch die Orgeln des Salzburger Festspielhauses.
Domkapellmeister von 1926 bis 1969
Nach dem plötzlichen Tod von Franz Xaver Gruber, einem Enkel des Stille-Nacht-Komponisten, wurde Joseph Messner 1926 zum Domkapellmeister von Salzburg ernannt; er übte das Amt 43 Jahre lang aus. Zu Beginn musste er sich ein Ensemble schaffen, um nach Jahren eingeschränkten Musizierens durch den Cäcilianismus wieder qualitätvolle Kirchenmusik vom Barock bis zur Gegenwart aufführen zu können.
Chor und Orchester der Dommusik wurden nach intensiver Schulung nicht nur für Gottesdienste, sondern auch für Konzerte eingesetzt. Ab dem Jahr 1927 leitete Messner während der Salzburger Festspiele die von ihm begründeten Konzerte geistlicher Musik (Domkonzerte), in denen er einem internationalen Publikum alljährlich Meisterwerke sakraler Musik präsentierte.
Messner selbst hatte die meisten seiner geistlichen Werke dem Salzburger Dom gewidmet, der sich während seiner Amtszeit zu einem weithin anerkannten Zentrum katholischer Kirchenmusik entwickelte.
Festspiele – Domkonzerte
Ab 1927 konzipierte, veranstaltete und dirigierte Messner im Rahmen der Salzburger Festspiele Konzerte geistlicher Musik im Salzburger Dom, die so genannten Domkonzerte. Er organisierte sie auf eigenes Risiko, engagierte die Sängerinnen, Sänger und Musiker. Neben den bekannten kirchenmusikalischen Werken führender Komponisten wie W. A. Mozart, Joseph Haydn, L. v. Beethoven, G. F. Händel und J. S. Bach, F. Schubert, A. Bruckner und F. Mendelssohn-Bartholdy hatte er einen Salzburg-Schwerpunkt mit Werken von Mozart, Michael Haydn und der Benevoli-Messe, die heute als Missa Salisburgensis von Heinrich Ignaz Franz Biber identifiziert ist. Messner führte neben eigenen Kompositionen auch eine Reihe von Werken zeitgenössischer Komponisten auf.
Die neuen Medien Radio und Schallplatte eröffneten in den 1930er Jahren einen Zugang zum internationalen Publikum, wie er vorher nicht möglich war. Radioübertragungen in ferne Länder machten Messner über den deutschen Sprachraum hinaus bekannt.
Nach dem Zweiten Weltkrieg führte er die Konzerte geistlicher Musik in der Aula der Alten Universität auf. Der Salzburger Dom war schwer beschädigt und die Kirchenvorschriften verboten Konzerte mit Eintritt.
Neben Auseinandersetzungen mit seinem Salzburger Musikerkollegen Bernhard Paumgartner hatte er nach 1945 auch manchmal mit der Wiener und Salzburger Kunstkritik zu kämpfen.
Der Komponist
Joseph Messner verdankte die kompositorischen Kenntnisse seinem Musiklehrer am Borromäum, Georg Feichtner. Die ersten gedruckten Werke waren Liederzyklen auf Texte seines Bruders Johannes. In der Münchner Zeit entstanden unter anderem die Messe in D, die Oper Hadassa (Esther) und die 1. Symphonie.
Seine Werke wurden in den 1920er Jahren von namhaften Dirigenten aufgeführt und vor allem in Deutschland vom Publikum begeistert aufgenommen. Man veranstaltete reine Messner-Konzerte und sogar „Messner-Tage“.
Zählte man Messner anfangs zu den „Neutönern“, so wandte er sich in den 1930er Jahren von jeglicher Atonalität ab und wollte Musik schreiben, die allgemein akzeptiert werden konnte. In seinen Werken sind Einflüsse von Bruckner und Reger zu erkennen, barocke Polyphonie verbindet sich mit spätromantischen Klangwelten.
Für sein symphonisches Chorwerk Die vier letzten Dinge erhielt Messner im Jahr 1936 den Österreichischen Staatspreis. Der Großteil seiner mehr als dreihundert geistlichen und weltlichen Werke, darunter vier Opern, wurde nie gedruckt. Die Autographen befinden sich im Archiv der Erzdiözese Salzburg und im Salzburg Museum.
Messner privat – öffentlich
Joseph Messner war ein Tiroler mit Ecken und Kanten. Nicht jeder vertrug seine direkte Sprache, viele bezeichneten ihn als hilfsbereit und gütig.
Er bekannte sich zu seiner Kirche und zu seinem Glauben. Sein Bruder Johannes, ebenfalls Priester, unterstützte den autoritären Ständestaat österreichischer Prägung und floh 1938 nach Großbritannien.
Joseph Messner lebte vor allem für seine Musik, entfernte sich damit immer mehr von dem Bild und der Rolle eines katholischen Priesters. Seine Lebensgefährtin, eine Operettensängerin, musste als Halbjüdin ihre Karriere aufgeben. Sie schuf ihm den Freiraum für seine künstlerischen Ambitionen. 1936 zogen sie und Messner in ihr Haus in St. Jakob am Thurn.
In den letzten Jahren hinterfragte die Salzburger Musikwissenschaft sein Verhältnis zu den nationalsozialistischen Machthabern. Joseph Messner war kein Parteimitglied, versuchte jedoch seine Kompositionen im Deutschen Reich aufführen zu lassen und hatte durch seine Konzerttätigkeit enge Kontakte mit der Musikszene in Deutschland. In einigen Schriftstücken kommt seine anfängliche positive Einschätzung des Nationalsozialismus zum Ausdruck, der aber nach dem Einmarsch die Ernüchterung folgte. Seine Domkonzerte wurden gestrichen. Die Kirchenmusik hatte keinen Stellenwert in der NS-Kultur- und Kriegspolitik.